Wenn von einer Vollfinanzierung die Rede ist, ist eine Immobilienfinanzierung gemeint, die ohne Eigenkapital auskommt. Das Kreditinstitut übernimmt bei einer Vollfinanzierung im Prinzip sämtliche Kosten. Was hinter der Vollfinanzierung im Einzelnen steckt, wie sie funktioniert und was zu beachten ist, ist jetzt Thema.
Bevor einer Vollfinanzierung für eine Immobilie angefragt wird, sollten Kreditinteressierte sich über den Kontext informieren, in dem Immobilienkredite stehen. Wichtige Aspekte sind dabei die allgemeine Bauzinsentwicklung, rechtliche Rahmenbedingungen und Risiken von Immobilienfinanzierung. Es ist wichtig, sich sorgfältig vorzubereiten, um bezüglich der eigenen Immobilienfinanzierung eine informierte und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung treffen zu können.
Die EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde im März 2016 in deutsches Recht umgesetzt. die Richtlinie soll Verbraucher schützen, die Immobilienkredite aufnehmen. Inhalt sind vielfältige Pflichten, die unter anderem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Kreditwesengesetz (KWG) verankert sind.
Das KWG wurde durch den Paragrafen 18a erweitert. Darin sind vielfältige Pflichten aufgeführt, die Banken bei der Kreditvergabe an Verbraucher erfüllen müssen. Eine zentrale Anforderung ist die umfassende Informationspflicht vor Vertragsschließung und die Prüfung der Kreditwürdigkeit. Zudem müssen Banken die Unabhängigkeit der Gutachter im Kreditvergabeprozess sicherstellen und qualifizierte Mitarbeiter einsetzen. Die Vorschriften zur Prüfung der Kreditwürdigkeit sind nicht spezifisch, sodass Banken eigene bankinterne Regeln aufstellen. Zwar sollen diese Vorschriften zukünftig konkretisiert werden, doch, bis es so weit ist, müssen Banken und schließlich auch Verbraucher mit den aktuell herrschenden Bedingungen umgehen. In der Praxis bedeutet das, dass die Banken unterschiedliche Maßstäbe anlegen und Kriterien heranziehen, was die Prüfung der Kreditwürdigkeit angeht.
Die verschärften Vorgaben für Finanzinstitute sorgen dafür, dass Banken sehr genau die Bonität von Kreditnehmern prüfen und auch die Werthaltigkeit der Immobilie genauer untersuchen. Darlehen dürfen nur dann bewilligt werden, wenn Kreditnehmer das Darlehen innerhalb der statistischen Lebenserwartung vollständig zurückzahlen können. Manche Banken haben deshalb Altersgrenzen zur Kreditvergabe eingeführt, die allerdings selten öffentlich kommuniziert, sondern erst auf Nachfrage genannt werden. So gibt es Banken, die Kredite an Kunden vergeben, die höchstens 70 Jahre alt sind, andere haben die Grenze auf 75 festgelegt.
Auch bei jungen Familien schauen Banken nun kritischer hin. Solange die Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist, kalkulieren Banken mit Verdienstausfällen und berücksichtigen diesen Aspekt, wenn Sie über einen Kredit entscheiden. Schließlich ist zu erwarten, dass ein Elternteil für einen bestimmten Zeitraum zu Hause bleibt und kein Geld verdient. Dennoch muss der Kapitalien geleistet werden. Können potenzielle Kreditnehmer nicht nachweisen, dass die Zahlung der Kreditraten langfristig gesichert ist, neigen Banken zur Ablehnung einer Kreditanfrage, erst recht bei einer Vollfinanzierung.
Alles in allem erschwert die aktuelle Fassung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie die Kreditvergabe und auch Vollfinanzierungen sind davon betroffen.
Rechtzeitig Forward Darlehen als Anschlussfinanzierung prüfen
Mit Blick auf die sich ändernden Marktbedingungen im Laufe der Zeit und deren Einfluss auf die Zinsentwicklung ist es ratsam, für die Vollfinanzierung möglichst lang laufende Kreditverträge mit entsprechend lang laufender Zinsbindung abzuschließen. Aus Vorsichtsgründen ist es zudem ratsam, ungefähr drei Jahre vor Ablauf des Kredits eine Anschlussfinanzierung vorzubereiten und sich ggf. bereits um passende Kredite zu bemühen. Ein Forward Darlehen, also ein Darlehen, dessen Kreditkonditionen Monate oder Jahre im Voraus festgelegt werden, kann eine sinnvolle Wahl sein, wenn mit steigenden Zinsen zu rechnen ist.
Eine Vollfinanzierung ermöglicht den Hauskauf ohne Eigenkapital. Es gibt zwei Varianten der Vollfinanzierung. Der Unterschied liegt in der Finanzierung der Nebenkosten wie Maklergebühren, Notargebühren, Kosten für den Grundbucheintrag und die Grunderwerbsteuer.
Eine 110 %-Finanzierung ist das, was die meisten unter einer Vollfinanzierung verstehen. Die Bank finanziert den Kaufpreis und zusätzlich auch die Nebenkosten, die für den Makler, den Notar, für Grunderwerbsteuer und den Grundbucheintrag anfallen. Diese liegen abhängig vom Bundesland und der Immobilie zwischen 9 und 13 % des Kaufpreises.
Bei der 100 %-Finanzierung wird lediglich die Immobilie finanziert, nicht aber die damit verbundenen Nebenkosten. Diese werden vom Kreditnehmer selbst gestemmt. Insofern handelt es sich hierbei um eine Vollfinanzierung mit Eigenkapital.
Banken verlangen für die 110 %-Finanzierung höhere Zinsen als bei der 100 %-Finanzierung. Der Grund liegt im erhöhten Risiko. Sie bekommt zwar das Objekt als Sicherheit, doch wenn es aufgrund von Zahlungsunfähigkeit zu einer Zwangsversteigerung kommen sollte, kann sie die finanzierten Nebenkosten beim neuen Erwerber nicht geltend machen. Sie bleibt also auf diesen Kosten sitzen und müssen sie rechnerisch vom Erlös abziehen. Diese Risikobereitschaft lässt sich die Bank extra bezahlen, indem sie den Kreditzins für die Vollfinanzierung erhöht.
Was ist Eigenkapital?
Wenn von einer Finanzierung mit oder ohne Eigenkapital die Rede ist, stellt sich die Frage, was eigentlich unter dem Begriff des Eigenkapitals fällt. Dazu gehören unter anderem die folgenden Positionen:
Die allermeisten Immobilienfinanzierungen erfolgen mit einem Eigenkapitalanteil von mindestens 20 %. Banken raten nicht selten dazu, dass mehr als ein Fünftel des Kaufpreises über Eigenkapital finanziert werden soll. Wer Eigenkapital einbringt, reduziert die Darlehenssumme und damit sinkt das Risiko aus Sicht der Bank. Andersherum gilt, je geringer der Eigenkapitalanteil, desto höher das Zahlungsausfallrisiko. Gerade bei lang laufenden Finanzierungen, wie es bei Immobilienkrediten üblich ist, ist es schwer vorherzusehen, wie die Zinssätze sich in 10 oder 20 Jahren entwickeln. Wird einer Immobilie heute voll finanziert und dabei ein günstiger Zinssatz zugrunde gelegt und nach Ablauf des Kreditvertrags muss die Restsumme weiter finanziert werden, gelten für diesen späteren Zeitpunkt mit Sicherheit andere Zinssätze. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass die Zinsen steigen, weil wir uns aktuell nach wie vor in einem Zinstief bewegen. Steigen die Zinsen in Zukunft an, verteuert sich die zu erwarten Anschlussfinanzierung.
Vollfinanzierung besteht aus Bankensicht aus einem Realkredit und einem Personalkredit
Generell gilt: Banken verlangen bei Vollfinanzierungen üblicherweise höhere Zinsen als bei Finanzierungen mit einer Eigenkapitalquote von 20 % oder mehr. Banken vergeben die besten Konditionen, wenn höchstens 60 % des Immobilienwerts beliehen werden. Dieser Wert spielt deshalb eine Rolle, weil Banken eine Immobilie in der Regel zu diesem Prozentsatz verwerten können, sofern es zu einem Kreditausfall kommt und sie die Immobilie veräußern müssen. Bei einem Kredit, der nicht mehr als 60 % des Immobilienwerts beträgt, spricht man von einem Realkredit, der komplett über die Immobilie abgelöst werden könnte.
Sobald Kredite mit einem höheren Beleihungswert vergeben werden, also bei der Vollfinanzierung zu 100 % oder zu 110 % -, liegt die Darlehenssumme deutlich über dem Wert, den Banken im Verwertungsfall sicher bekommen würden. Die Differenz wird als Personalkredit bezeichnet, weil es hier auf die persönlichen finanziellen Verhältnisse des Kreditnehmers ankommt. Daran anknüpfend werden entsprechende Risikoaufschläge für die Vollfinanzierung verlangt, die abhängig vom Kreditnehmer unterschiedlich ausfallen. Das ist auch der Grund, warum Kreditsuchende immer einen Kreditvergleich vornehmen sollten, denn Banken legen unterschiedliche Maßstäbe bei der Bewertung der finanziellen Verhältnisse eines Kreditnehmers an.
Wer eine Vollfinanzierung anfragt, durchläuft einen Antrags- und Prüfungsprozess, der sich praktisch nicht von den üblichen Kreditanfragen unterscheidet. Auf der Suche nach einem passenden Kredit über eine Kreditvergleichsplattform sind mindestens diese drei Schritte nötig:
Kreditinteressenten müssen Ihre Angaben im Rahmen der Kreditanfrage belegen. Insofern unterscheiden sich die Zusammenstellung der Unterlagen von Fall zu Fall. Prinzipiell müssen aber folgende Dokumente und Nachweise beigebracht werden, damit die Anfrage zu einer Vollfinanzierung bearbeitet werden kann:
Hinsichtlich der zu finanzierenden Immobilie benötigt die Bank den jeweiligen Grundbuchauszug nebst Lageplan und Grundrissen. Bei Neubauten sind zudem Baubeschreibung und Baukostenberechnung erforderlich. Brauchen Banken weitere Unterlagen, fordern sie diese explizit an.
Die folgende Auflistung liefert einen Überblick über die wichtigsten Aspekte, die Kreditnehmer im Rahmen einer Vollfinanzierung bedenken sollten. Außerdem finden sich Hinweise auf Möglichkeiten, die Chancen für die Zusage bei einer Bank zu erhöhen.
Nach wie vor sind die Zinsen für Baugeld niedrig, doch die Preise für die einzelnen Gewerke und Materialien sind angezogen. Vereinfacht gesagt bekommt man heute “weniger Haus für dasselbe Geld“ wie vor 10 Jahren. Dennoch ist das Interesse an einer eigenen Immobilie hoch, auch bei Personen mit wenig oder keinem Eigenkapital.
Eine Vollfinanzierung hat vor allem dann Aussicht auf Bewilligung, wenn es sich um eine bezahlbare Immobilie handelt und wenn der Kreditnehmer in gesicherten finanziellen Verhältnissen mit regelmäßigem Einkommen lebt. Das Wichtigste ist, dass er nach Abzug sämtlicher laufenden Kosten und regelmäßigen Verpflichtungen langfristig monatlich genügend Geld zur Verfügung hat, um die Kreditrate zu bezahlen.
Abbildung 1 Hauptbild: pixabay.com © VisionPics (CC0 Creative Commons)
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