„Negativzinsen- Nullzinsphase und Enteignung der Anleger“ – solche Schlagwörter sind in den Medien und Fachblättern im Finanzbereich nicht selten zu lesen. Während Zinseinlagen für Anleger immer uninteressanter werden, haben sich Unternehmensanleihen mittlerweile zu einer echten Alternative gemausert. Ein Zuwachs von Unternehmensanleihen bestätigt auch ein Bond-Monitor (Corporate Bonds in Deutschland 2013/14) der Rating Agentur Creditreform.
Im Monitor wird auf die Veränderung in den Finanzierungsmustern im deutschen Unternehmenssektor und auf eine stärkere Nachfrage auf den Unternehmensanleihemärkten hingewiesen. Doch Anleger sollten bei der Wahl der Anleihen die Augen offenhalten, denn der Staat hat durch eine Gesetzesänderung zum 1. Januar 2017 für echte Verwirrung rund um die Bonität von Anleihen gesorgt.
Das bereits geltende Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG) legt unter anderem die Reihenfolge fest, nach der bestimmte Arten von Kapital bei einer Unternehmensinsolvenz haften müssen. Dies ist für Anleger, die sich mit Unternehmensanleihen beschäftigen, vor allem deshalb so wichtig, weil dadurch auch die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen bewertet wird. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche werden strukturierte Schuldtitel wie Anleihen mit Derivat-Anteilen künftig gegenüber herkömmlichen Unternehmensanleihen bevorzugt. Dies hat wiederum einen großen Einfluss auf die Bonität verschiedener Anleihen. Was dabei zu beachten ist und wie es sich mit der Bonität genau verhält, wird in diesem Artikel näher erläutert.
Seit der letzten großen Wirtschaftskrise in den Jahren 2008-2010 wurden in der EU zahlreiche Gesetze erlassen, die den Finanzmarkt bändigen und eine erneute Krise solchen Ausmaßes verhindern sollten. Dazu gehörte auch das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), welches die Steuerzahler vor hohen Kosten bei einer Insolvenz großer Unternehmen beschützen sollte. Das Schlagwort „too big to fail“ war zu der Zeit in aller Munde und beschreibt Unternehmen, deren Straucheln die gesamte Wirtschaft in Gefahr bringen kann. Die Haftungskaskade sah dabei folgendermaßen aus:
Haftungsposition | Kapitalart | Erklärung |
1 | Hartes Kernkapital | Hierbei handelt es sich um Aktien, Gesellschafteranteile und auch Genossenschaftsanteile. Es geht also um die Anteilseigner des Unternehmens. |
2 | Zusätzliches Kernkapital | Zu dieser Kapitalart gehören nachrangige Wandelanleihen, die sich später in Eigenkapital wandeln. |
3 | Ergänzungskapital | Hierbei handelt es sich um nachrangige Ergänzungskapitalanleihen oder auch stille Einlagen. |
4 | Nachrangige Verbindlichkeiten | Hierzu zählen mitunter Schuldverschreibungen, Darlehen oder auch Genussrechte, die als nachrangig eingestuft werden. |
5 | Unbesicherte nicht-nachrangige Verbindlichkeiten und strukturierte Schuldtitel | In diese Kategorie fallen Schuldverschreibungen (Anleihen), Anleihen mit Derivatanteil und auch Schuldscheindarlehen. |
6 | Bareinlagen von Privatpersonen | Die Haftung für Bareinlagen von Privatpersonen beginnt bei einem Betrag von 100.000 Euro. |
Tabelle: Haftungskaskade bei Unternehmensinsolvenz
Durch die Gesetzesänderung wurden jedoch Anleihen mit Derivat-Anteilen (strukturierte Anleihen), deren Rückzahlung von unsicheren künftigen Ereignissen abhängt, in eine neue Kategorie eingestuft, die hinter der bisherigen Fünften liegt. Damit haften solche Anleihen erst, wenn herkömmliche Schuldverschreibungen bereits ausgeschöpft sind.
Die Bonität einer Anleihe hängt ganz klar von der Bonität des jeweiligen Unternehmens ab. Je schlechter die Bewertung dabei ausfällt, desto höher liegt die mögliche Rendite. Anleger müssen im Gegenzug jedoch auch mit einem höheren Verlustrisiko rechnen. Die Bonitätsbewertung erfolgt dabei durch bekannte Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s, Fitch oder Moody’s. Dabei lässt sich die Bonität folgendermaßen einstufen:
Infografik: Rating-Systeme bekannter Agenturen und Bonitätsbewertung bei Unternehmen und Privatpersonen
Gerade die Kategorien „Junk Bonds“ und „Zahlungsgefährdet“ weisen für Anleger erhebliche Risiken auf, da ein Verlust des eigenen Kapitals nicht unwahrscheinlich ist. Durch die Gesetzesänderung und den besseren Haftungsstatus von strukturierten Anleihen kann es jedoch passieren, dass diese trotz ihres recht hohen Risikos aufgrund der besseren Haftungsstellung eine bessere Bonität erhalten.
Wer als Privatperson einen Kredit bei der Bank aufnehmen möchte, dürfte das Thema der Bonitätsbewertung ebenfalls gut kennen. Bevor Banken einen Kredit an eine Person vergeben, prüfen sie vorher, ob der Kreditnehmer überhaupt die finanziellen Voraussetzungen für ein Darlehen aufweist. Dies funktioniert über sogenannte Scoring-Systeme, die Auskunfteien wie die SCHUFA anbieten. Solche Systeme beinhalten Informationen wie:
– Zahlungsverhalten in der Vergangenheit
– Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls
Auf Basis solcher Daten wird die Bonität des Kreditnehmers berechnet, die die Wahrscheinlichkeit einer Kreditvergabe sowie die Kreditkonditionen beeinflussen kann. Eine bessere Bonität zu besitzen vereinfacht das Leben nicht nur in den Kontakten zwischen einer Privatperson und Bank. Immer mehr Finanzinstitute und Dienstleistungsgeber nutzen Bonitätsbewertungssysteme um ihre potenzielle Kunden und Investitionen zu überprüfen.
Durch die Gesetzesänderung in Bezug auf das Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG) kann es durchaus zu Irritationen bei der Bonitätsbewertung von Anleihen und Fonds kommen. Aus diesem Grund sollten Anleger stets genau hinschauen, um welche Art von Anleihe es sich handelt und die Bonitätsbewertung in Relation setzen. Auf diese Weise lässt sich eine mündige Anlegerentscheidung treffen.
Bild: Vintage Tone / Shutterstock.com (ID: 425113042)
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